Alle beklagen, dass Arbeitskräfte fehlen. Gleichzeitig dürfen aber gerade Mitarbeiter, welche Routinearbeiten ausführen, nur wenig kosten. Wie lassen sie sich halten?
Je größer die Milchkuhbetriebe, desto spezialisierter werden die Tätigkeiten. Häufig ist die Arbeit dann körperlich anstrengend, manchmal eintönig und schmutzig. Kein Job, den Menschen sich wünschen! So klagen viele Milchkuhbetriebe, dass es immer schwieriger wird, Mitarbeiter für diese „einfachen“...
Alle beklagen, dass Arbeitskräfte fehlen. Gleichzeitig dürfen aber gerade Mitarbeiter, welche Routinearbeiten ausführen, nur wenig kosten. Wie lassen sie sich halten?
Je größer die Milchkuhbetriebe, desto spezialisierter werden die Tätigkeiten. Häufig ist die Arbeit dann körperlich anstrengend, manchmal eintönig und schmutzig. Kein Job, den Menschen sich wünschen! So klagen viele Milchkuhbetriebe, dass es immer schwieriger wird, Mitarbeiter für diese „einfachen“ Tätigkeiten zu finden und zu halten.
Große Unterschiede im Lohnniveau
In Deutschland liegt, je nach regionaler Lage, der typische Melkerlohn 10 bis 40% über dem Mindestlohn. Obwohl viele Betriebe besser zahlen, ist dies im Vergleich zu anderen Branchen niedrig. Zudem zeigt sich ein deutliches Lohngefälle zwischen West und Ost, Nord und Süd, sowie zwischen strukturschwachen und strukturstarken Regionen (Industrienähe). Dazu kommen Unterschiede zwischen den Betrieben, weiß Hermann Dorfmeyer, Personalvermittlung farmconnect: „Zum Teil unterscheiden sich die Löhne so stark wie zwischen den Regionen. Klare Maßstäbe gibt es nicht.“ Ein Landwirt verdient in Deutschland im Schnitt gut 2.000 €, Tierwirte 1.800 € brutto.
Auf den ersten Blick sind Löhne kaum vergleichbar (Leistungszulagen, Sonntags- und Nachtzuschläge, Mahlzeiten, Unterkunft, Tankgutscheine etc.). Wichtig ist daher, die Summe der tatsächlichen Vergütungen zu betrachten und durch die gearbeiteten Stunden zu teilen. Tipp: Wer genauer wissen möchte, was einzelne Berufsgruppen in der Region verdienen, findet dies im Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit.
Mindestlohn reicht nicht
„Der Melkerjob sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Hermann Dorfmeyer. Vom Charakter her handelt es sich um eine Fließbandarbeit, die in vielen Melkständen körperlich anstrengender und weniger komfortabel ist, als an manchem Fließband in der Industrie. Zudem haben Melker oft zusätzliche Aufgaben, die Tierkenntnis und Beurteilungserfahrung erfordern. „So gesehen wäre für manchen Melker ein höherer Stundenlohn gerechtfertigt, als in der Maschinenindustrie gezahlt wird“, so Dorfmeyer. Dazu kommt, dass bei steigenden Lebenshaltungskosten (Wohnen, Ernährung, Mobilität, Freizeit) der Mindestlohn von ca. 1.200 € netto kaum ausreicht.
„Die Zahlung des Mindestlohns ist bestenfalls in Einzelfällen und in der Probezeit akzeptabel. Mittelfristig muss das Lohn-Niveau deutlich steigen, denn die Mitarbeiter müssen auch von ihrer Arbeit leben können“, ist auch Berater Ingo Schimmelpfeng (KoeslingAnderson) überzeugt.
Auch ausländische Melker, meist vermittelt über Personalagenturen, möchten heute mehr verdienen. Denn je mehr sich der Lebensstandard in dem Herkunftsland verbessert, desto weniger sind die Menschen bereit, für einen niedrigen Lohn im Ausland zu arbeiten. Dazu kommt eine andere Mentalität: Arbeitnehmer werden in Rumänien oft gefeuert, sobald der Arbeitgeber sie nicht mehr benötigt. Anders herum sind die Arbeitnehmer aber auch nicht bereit, schlechte Arbeitsbedingungen lange zu akzeptieren.
Automatisierung kann helfen, einen Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten und Arbeitskräfte einzusparen. Doch die oft höheren Anforderungen an einen Mitarbeiter (Umgang mit der Technik, gezielte Kontrolle, Überwachung statt Selbermachen) müssen sich zusätzlich zu den Anschaffungskosten dann auch in einem höheren Lohn widerspiegeln.
Um das vorhandene Personal zu halten und neue Mitarbeiter zu akquirieren, müssen die Löhne künftig deutlich über den Mindestlohn steigen.
Raum für mehr Lohn?
Aber: „Die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion ist schwach und in den letzten Jahren insgesamt rückläufig“, berichtet Ingo Schimmelpfeng. „Pauschale Lohnerhöhungen sind leider nicht drin.“ Die ostdeutschen Betriebe haben die verkaufte Milchmenge je Kuh in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. Nur so konnten sie die Personalkosten trotz steigender Löhne halbwegs stabil halten (Übersicht 1). Um trotz geringem Potenzial höhere Löhne umzusetzen, kann man gute Leistung entlohnen. Die Parameter müssen die Mitarbeiter aber beeinflussen können:
- Brunsterkennung (Prämien von 2 bis 5 € für jedes besamte Tier, aufzuteilen auf das gesamte Team)
- Totgeburtenrate und Kälberaufzuchtverluste
- Abgänge in der Frühlaktation bis 60 Tage in Milch
- Fehltage (freiwillige Sonderprämie am Jahresende zusätzlich zum vereinbarten Gehalt; Kürzung je Fehltag um bis zu 25% des täglichen Entgelts)
- Brunsterkennung (Prämien von 2 bis 5 € für jedes besamte Tier, aufzuteilen auf das gesamte Team)
- Totgeburtenrate und Kälberaufzuchtverluste
- Abgänge in der Frühlaktation bis 60 Tage in Milch
- Fehltage (freiwillige Sonderprämie am Jahresende zusätzlich zum vereinbarten Gehalt; Kürzung je Fehltag um bis zu 25% des täglichen Entgelts)
Eine Sondervergütung geht auch durch Warengutscheine (steuerfreier Sachbezug, bis 44 €/Monat).
Die Arbeitsplatzqualität entscheidet
Die Wirkung einer Lohnerhöhung verblasst nach einiger Zeit. Gerade jüngere Arbeitnehmer legen aber heute Wert auf ein geregeltes und ausgeglichenes Zusammenspiel von Freizeit und Arbeit (Work-Life-Balance). Auch das Betriebsklima wird wichtiger: einheitliche Arbeitskleidung, ein Aufenthaltsraum mit Küche, Sozialräume mit modernen Sanitäranlagen, teambildende Maßnahmen (gemeinsame Pausenzeiten, Betriebsfeiern, Messebesuche, Vorträge,…). Alle Mitarbeiter sollten gerecht beurteilt, regelmäßig fortgebildet und wertgeschätzt werden. Dazu gehören auch würdige Unterkünfte und geregelte Arbeitszeiten für ausländische Arbeitskräfte. „Zudem sollte es regelmäßig Personalgespräche unter vier Augen geben“, rät Ingo Schimmelpfeng.
„Viele Menschen möchten heute einen Sinn in ihrer Arbeit sehen“, ergänzt Matthias Heyder, Landwirtschaftskammer Niedersachsen. „Da kann die Milchkuhhaltung punkten.“ So erreichte die Landwirtschaft in einer Umfrage zur Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit Platz zwei (Zustimmung von 94,5%).
Tipp: Auch Quereinsteiger berücksichtigen. Kranken- oder Altenpfleger z.B. sind verantwortungsbewusstes und hygienisches Arbeiten gewohnt. Für diese Menschen könnte die Milchkuhhaltung ein attraktives Arbeitsfeld bieten. In den Gesundheits- und sozialen Berufen leiden nach Angaben des Statistischen Bundesamts 20,5% der Beschäftigten unter Zeitdruck. In der Landwirtschaft sind dies nur 7,9%.
Weil gute Mitarbeiter künftig noch knapper und teurer werden, wird es für die Betriebe wichtiger, sie effizient einzusetzen, sagt Matthias Heyder: „Gute Arbeitsorganisation macht sich bezahlt!“
C. Stöcker-Gamigliano